Plastik-Verbot für Einweggeschirr, und was nun?

Plastik-Verbot für Einweggeschirr, und was nun?

Text: Robert Schütz:   Am 27. März 2019 hat die EU das Verbot für zehn ausgewählte Einwegprodukte beschlossen. Wie werden Industrie, Handel und Gastronomie hierauf reagieren? Schon jetzt gehen viele Unternehmen mit gutem Beispiel voran. Doch welche Alternativen sind wirklich umweltschonend; und welche sind auch langfristig sinnvoll?

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Der Geschäftsbereichsleiter für Verbraucherpolitik beim VZBV, dem Dachverband der Verbraucherschutzzentralen, Ingmar Streese, erklärt: „Die Verbraucher machen sich berechtigte Sorgen wegen der Verschmutzung der Umwelt mit Plastik.“ Streese weiter: „Müllstrudel im Meer und Plastikmüll an den Stränden belegen deutlich, dass der Verbrauch von Einweg-Plastik reduziert werden muss. Plastik zerfällt in der Umwelt in immer kleinere Teile und landet in Form von Mikroplastik früher oder später auf dem Teller des Verbrauchers.“ Und dann womöglich auf einem Plastikteller? Drastischer kann man die derzeitige groteske Situation kaum formulieren. Doch nun scheint eine weitere Weiche in Richtung „Saubere Zukunft“ gestellt: Ab 2021 soll der Einsatz von insgesamt zehn Einweg-Plastikprodukten der Vergangenheit angehören. Das betrifft Teller, Besteck, Rührstäbchen, Trinkhalme und Ballonstäbe aus Einweg-Plastik, Wattestäbchen sowie Becher und Boxen aus aufgeschäumtem Polystyrol. Auch oxo-abbaubare Kunststoffe (oxo-degradable plastics) werden vom Markt genommen. Diese sollen zwar angeblich nach ihren Gebraucht schnell fragmentieren, wozu den Polymeren allerdings unter anderem Metall-Ionen wie Mangan beziehungsweise Eisen zugeführt werden. Im „Marine Pollution Bulletin“, einem anerkannten internationalen Fachmagazin, heißt es jedoch: „Je nach Umweltbedingung kann die Fragmentierung sehr langsam erfolgen. So waren nach einer Exposition in 60 cm Tiefe im Hafen von Plymouth während 40 Wochen weniger als 2 Prozent des Probenmaterials zersetzt.“ Somit sind oxo-abbaubare Kunststoffen keine Alternative.

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Plastikfrei: Umweltfreundliche Burger-Boxen und Pommes-Schütten aus Kraftkarton.

Die Vorgaben sind klar

Die Verbotsumsetzung der EU muss nun innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten umgesetzt werden. Verbot heißt, dass die gelisteten Produkte dann nicht mehr verkauft werden dürfen. Zu den Richtlinien gehören noch weitere wichtige Maßnahmen, die teilweise eine längere Umsetzungsfrist haben: Die Industrie wird ab 2021 mit der erweiterten Herstellerverantwortung verstärkt in die Pflicht genommen, das heißt Hersteller müssen für die Kosten der Abfallsammlung und -behandlung von Einweg-Produkten, zum Beispiel Zigarettenfiltern, ebenso aufkommen, wie für öffentliche Reinigungskosten sowie für die Kosten öffentlicher Kampagnen zur Verbraucherinformation. Und das Kunststoffrecycling wird durch wieder aufbereitete Kunststoffe gestärkt, zum Beispiel durch eine Rezyklateinsatzquote von 30 Prozent in Plastikgetränkeflaschen bis 2030. Darüber hinaus müssen bis 2029 90 Prozent der Getränkeflaschen getrennt gesammelt werden. Die Zustimmung der Mitgliedstaaten ist nur noch Formsache. Der erste Vizepräsident der Europäischen Kommission, Frans Timmermans, verkündet stolz: „Heute haben wir einen wichtigen Schritt getan, um die Verschmutzung unserer Ozeane und Meere durch Plastikmüll zu reduzieren. Wir können das schaffen. Europa setzt neue und ehrgeizige Standards und ebnet den Weg für den Rest der Welt.“ Karmenu Vella, der zuständige EU-Kommissar für Umwelt, maritime Angelegenheiten und Fischerei ergänzt: „Nach der Zustimmung des Parlaments müssen diese ehrgeizigen Maßnahmen rasch in die Praxis umgesetzt werden. Das ist eine gemeinsame Aufgabe für Behörden, Produzenten und Verbraucher gleichermaßen.“ Das beschlossene Verbot soll ab 2021 greifen. Wie kann das gelingen?
Was sind die Alternativen?

Verbote auszusprechen ist die eine Seite der Medaille, doch wie sehen die konstruktiven Lösungen aus?

Was ist tatsächlich technisch und wirtschaftlich realisierbar? Dabei ist wichtig, dass die Lebensmittelqualität, Lebensmittelhygiene und Lebensmittelsicherheit bestehen bleiben. Hierfür müssen alle gemeinsam und konsequent handeln und konkrete Lösungen finden und nutzen.

Die Verbraucher haben scheinbar mit dieser Neuregelung kaum Probleme und sind bereit, so jedenfalls sieht es der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 26 Verbraucherschutz-organisationen (VZBV). Er vertritt die Stimmen von mehr als 80 Millionen Verbrauchern in Deutschland gegenüber Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Seitens des VZBV hält man die Akzeptanz der Verbraucher von Maßnahmen zur Reduzierung von Plastikeinträgen für entscheidend, nur so funktioniert die Umstellung. Einer Umfrage aus dem Herbst 2018 zufolge ist die große Mehrheit der Verbraucher (79 Prozent) mit den von der Kommission vorgeschlagenen Verboten von Strohhalmen, Wattestäbchen und Plastikbesteck etc. einverstanden. Erfreulich ist: 90 Prozent der Befragten wünschen sich sogar, dass ihnen beim Kauf gar keine unnötigen Verpackungen mehr angeboten werden. Bei der richtigen Entsorgung von Einwegplastik haben Verbraucher hingegen Schwierigkeiten. 17 Prozent wissen angeblich nicht, dass man Luftballons nicht einfach in die Umwelt werfen kann. Besonders ärgerlich: viele Verbraucher (75 Prozent) glauben den Versprechungen der Hersteller und halten „Bio-Plastik“ und „kompostierbares Plastik“ für unbedenklich. Ob ein Kunststoff als biologisch abbaubar bezeichnet werden darf, ist per Europäischer Norm festgelegt: Dazu muss das Material gemäß EN 13432 in einer industriellen Kompostieranlage innerhalb von 12 Wochen zu mindestens 90 Prozent abgebaut werden. Eine Forderung, die zum Beispiel oxo-abbaubare Kunststoffe, wie eingangs beschrieben, nicht erfüllen.

Klimaneutral ist möglich

Die sogenannten „Bio-Kunststoffe“ könnten durchaus eine Alternative sein, wobei man hier besser den Begriff „Agrokunststoff“ verwenden sollte, da diese aus landwirtschaftlichen Rohstoffen erzeugt werden, die nicht zwingend aus ökologischem Anbau stammen müssen. Dabei unterscheidet man zwischen Kunststoffen aus pflanzlichen Rohstoffen, die theoretisch kompostierbar sind – zum Beispiel PLA (Polymilchsäuren) – und Kunststoffe aus pflanzlichen Rohstoffen, die nicht kompostierbar sind – zum Beispiel PET (Polyethylenterephthalat) aus Zuckerrohr. Produkte aus geeignetem PLA oder PLA-Blend sind bereits als Wegwerfbestecke auf dem Markt. Aus PLA lassen sich zudem thermogeformte Trinkbecher und aus PLA-Blends zum Beispiel Trinkhalme zum Abwinkeln herstellen. Aber: Sie lassen sich nicht für heiße Lebensmittel nutzen, da sie bei über 50 °C zu weich werden und ungewollt verformen. Hier würde sich der Biokunststoff Cellulose-Acetat (kurz CA) besser eignen, einem Essigsäurerest der Cellulose und Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände. Es gibt bereits viele Anbieter von Einweggeschirr, die seit Langem die Zeichen der Zeit erkannt haben und entsprechende Alternativen anbieten, die auch klimaneutral sind. Einer von ihnen ist Bionatic. Das Unternehmen aus Bremen beliefert Gastronomen, Einzelhändler und Endverbraucher mit Food-Verpackungen und Einweggeschirr aus nachwachsenden oder recycelten Rohstoffen. Dirk Brunne ist Leiter für Unternehmenskommunikation und beschreibt das Produktkonzept wie folgt: „Seit der Gründung 2010 – also schon lange bevor die EU angefangen hat, über ein Verbot von Einweg-Plastik nachzudenken – bieten wir nachhaltige und umweltfreundliche Alternativen zu erdölbasierten Kunststoffverpackungen an. Kern unseres Handelns ist die feste Überzeugung, dass es besser ist, nachwachsende Rohstoffe zu verarbeiten, als endliche Ressourcen zu verbrauchen.“

Ein umweltfreundliches Angebot

Hergestellt werden die umweltfreundlichen Bionatic-Produkte in Europa und Asien direkt vor Ort, da wo die Rohstoffe wachsen, so der Unternehmensvertreter. Nach Angaben von Bionatik ist das gesamte Sortiment zudem ausnahmslos klimaneutral. Als Nachweis wird mit Experten der „Carbon-Footprint“ von jeder einzelnen Rohstoffklasse und den daraus gefertigten Artikeln erstellt. Brunne versichert: „Wir wissen sehr genau, wie viel CO2 unsere Verpackungen verursachen und zwar vom Anbau der Rohstoffe über die Fertigung, über den Transport in unsere Lager bis zur Auslieferung der Artikel an unsere Kunden.“ Er fügt hinzu: „Die verursachten CO2-Emissionen gleichen wir vollumfänglich über ein international anerkanntes Klimaschutzprojekt in Kenia aus.“ Der Anbieter für alternatives Einweggeschirr hat hierzu den „Carbon-Footprint“ analysiert und dabei festgestellt, dass die CO2-Bilanz zum Beispiel bei Palmblatt-Geschirr und Zuckerrohr-Artikeln sehr viel geringer ist als bei herkömmlichen, erdölbasierten Einwegartikeln. Das liegt unter anderem daran, dass bei diesen Koppelprodukten (Restfasern von Zuckerrohr beziehungsweise abgefallene Palmblätter) verarbeitet werden, die sonst als Abfall verwertet würden. Als weiterer Grund gibt man an, dass der Energieaufwand während der Produktion relativ gering sei. Die eventuellen Mehrkosten für alternative Einwegprodukte sind scheinbar kein Thema. Die Erfahrungen des Anbieters für alternative Produkten zeigen zudem, dass Endkunden durchaus bereit sind, für nachhaltige und biologisch sinnvolle Verpackungen mehr zu bezahlen.

Es ist folglich technisch bereits einiges machbar, nun kommt es darauf an, diese Möglichkeiten richtig umzusetzen, sodass tatsächlich ein maximaler und nachhaltiger Nutzen für die Umwelt erreicht wird. Doch nicht um jeden Preis. Daher muss der Aufwand an Material und Energie stets im richtigen Verhältnis stehen zu der kurzen Nutzungszeit. Ein ganz wesentliches Kriterium ist die CO2-Bilanz. Wer zum Beispiel Bambus als ökologisch erachtet, sollte die langen Transportwege mitberücksichtigen. Somit muss jeder Alternative auch immer kritisch hinterfragt werden. Ebenso wie die Neureglung zum Verbot für Einwegplastik grundsätzlich, die laut einiger Institutionen auch Fehler aufweist.

Die kritischen Stimmen

Nicht nur seitens des VZBV gibt es auch Ergänzungen und Änderungsvorschläge zum Richtlinienentwurf der EU. Der VZBV hat diese in der Stellungnahme „Mehrweg statt Einweg“ ausgeführt, die bereits im Oktober 2018 publiziert wurde. Hierin wird unter anderem darauf hingewiesen, dass Plastikverpackungen durch Verpackungen aus anderen nicht ökologischen Materialien ersetzt werden, wie zum Beispiel Aluminium oder Pappe. Elke Salzmann, Referentin Ressourcenschutz im Team Mobilität und Reisen vom VZBV, hierzu: „Es darf nicht passieren, dass statt zum Beispiel der zukünftig verbotenen Styroporverpackungen dann vermehrt Einwegverpackungen aus Aluminium oder Pappe angeboten werden. Der Aufwand an Material und Energie steht in keinem guten Verhältnis zu der kurzen Nutzungszeit.“ Zudem wünscht man sich beim VZBV einheitliche Kennzeichnungen von Einweg- und Mehrwegverpackungen bei Getränken für mehr Klarheit.

Auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU) weist auf Schwächen der EU-Richtlinie hin. Hier heißt es: „Sie enthält keine verbindlichen Reduktionsziele für den Verbrauch von To-go-Verpackungen und Einweg-Bechern, die das EU-Parlament ursprünglich gefordert hatte. Eine NABU-Erhebung zeigte jüngst, dass diese Produkte mit knapp 350.000 Tonnen jährlich erheblich zum Abfallaufkommen in Deutschland beitragen.“

Der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) hat Einwände und beklagt das zu hohe Tempo, mit der die Richtlinie parlamentarisch beraten wurde und nun national umgesetzt werden soll. Zudem hält man die Definition und Auslegung bestimmter Vorschriften für noch unzureichend. Unternehmen wird die Planungssicherheit erschwert und insbesondere die Aspekte Lebensmittelhygiene und -sicherheit wurden in der Richtlinie nicht als entscheidendes Kriterium bei der Entwicklung von Alternativen berücksichtigt. Zudem sind die sogenannten einfachen Alternativen unter anderem aus ökologischen- (Öko-Bilanzen), technologischen (Produktionsprozesse) oder verbraucherseitigen Gründen (fehlende Akzeptanz) keine echten Alternativen, beklagt man beim BdS. Der Verband unternimmt selbst vielfältige Anstrengungen, um die Herausforderungen zu meistern sowie die neuen gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen und an der nationalen Umsetzung der Richtlinie mitzuwirken.

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Doch es gibt auch positive Rückmeldung: So freut sich Salzmann (VZBV) darüber, dass der Handel vermehrt Mehrweglösungen für „To-go“-Produkte erprobt und anbietet; sei es bei Kaffee und anderen Heißgetränken, an der Salatbar oder der „Take-away“-Mahlzeit für das Büro oder Zuhause. Salzmann lobt zudem einen finanziellen Anreiz für den Verbraucher mit dem Worten: „Teilweise wird der Kunde mit Rabatten belohnt, wenn er eigene Behälter mitbringt oder sich an Pfandsystemen beteiligt. Das kommt gut an. Wichtig ist, dass Mehrweg-Systeme keine Insellösungen bleiben, sondern der Verbraucher die Möglichkeit hat, seinen Kaffeebecher im Laden A zu kaufen und dann im Laden B wieder abzugeben.“ Doch noch immer versuchen einige Franchising- Ketten durch den Einsatz von Einweggeschirr Kosten zu sparen, da hier der Spülprozess entfällt.

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In Mc Cafes werden Getränke bereits auch in Porzelantassen serviert.

Fast Food, besser als sein Ruf?

Fast-Food-Ketten haben mit einem starken Negativ-Image zu kämpfen und man hält sie für die großen Verursacher von Einweggeschirr aus Plastik. Ein Mythos? McDonald‘s als einer der bekanntesten Vertreter erklärt hierzu. „Die Themen Recycling, Reduktion von Verpackungen und Vermeidung von Plastik genießen höchste Priorität und sind daher klar in der Nachhaltigkeitsstrategie verankert.“ Doch was heißt das konkret? Bereits Anfang 2018 wurde als globales Ziel kommuniziert, dass McDonald‘s bis 2025 weltweit nur noch Verpackungsmaterialien aus erneuerbaren, recycelten oder zertifizierten Quellen verwenden will. In Deutschland hat man nach eigenen Angaben Produktverpackungen bereits zu 88 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt. Die hierfür eingesetzten Frischfasern stammen schon seit 2015 zu 100 Prozent aus nachhaltiger Forstwirtschaft (FSC-oder PEFC-Siegel). Bei über der Hälfte dieser Verpackungen setzt man recycelten Kunststoff ein, heißt es seitens des Schnellrestaurants. Derzeit arbeitet man bei McDonald‘s an einem Fahrplan zur Umstellung von Kunststoffverpackungen auf Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen, zum Beispiel Papier und Holz für Trinkhalme. Im Rahmen des Konzepts „Restaurants der Zukunft“, will McDonald‘s dann Heißgetränke für den Verzehr vor Ort in Glas- und Porzellangeschirr anbieten. Schon jetzt wurden mehr als 1.000 Restaurants zum „Restaurant der Zukunft“ umgebaut. Bis Ende 2019 soll das Konzept flächendeckend umgesetzt werden. Ein weiteres Angebot: Gäste können seit Ende 2016 im McCafé ihren Kaffee-to-go in mitgebrachte Becher füllen lassen und bekommen dafür 10 Cent Rabatt. Außerdem testet man die Beteiligung am Recup-System, bei dem seit April 2018 der Kaffee in einen Pfandbecher gefüllt wird, den man bei allen teilnehmenden Partnern wieder abgeben beziehungsweise gegen einen sauberen Becher eintauschen kann. Auf der Internetseite von Recup heißt es: Ziel ist es, die Coffee-to-go-Revolution flächendeckend voranzutreiben. Für mehr Kaffeegenuss, mehr Mehrweg und mehr Nachhaltigkeit. Das könnte gelingen, denn schon jetzt wird Recup von mehr als 2.000 Take-away-Läden und Einzelhändlern angeboten und gilt als sehr erfolgreiche und wirkungsvolle Maßnahme bei der Umsetzung der Neureglung. Neben vielen kleinen Partner-Cafés und Bäckereien sind selbst größere Unternehmen wie VW in Wolfsburg Teil dieses Pfandnetzwerkes. Viele große Unternehmen, allen voran die Biomärkte sowie die großen Supermarktketten und Discounter, unternehmen große Anstrengungen, um bereits jetzt den Anforderungen der Neuregelung gerecht zu werden. Viele habe freiwillig damit begonnen, schon lange bevor die EU zu einem Ergebnis kam.
Wie reagieren Handel und Gewerbe?

Lidl gehört als Teil der Unternehmensgruppe Schwarz mit Sitz in Neckarsulm zu den Marktführern im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland und Europa. In einer Pressemeldung mit dem Titel „Kampf gegen Plastikmüll und Einwegplastik“ verkündet das Handelsunternehmen: „Bis Ende 2019 wird Lidl Deutschland in allen 3.200 Filialen Einwegplastikartikel wie Trinkhalme, Einwegbecher und -gläser, Teller, Besteck und Wattestäbchen mit Plastikschaft komplett auslisten.“ Als Alternative nennt der Discounter Produkte aus recycelbaren Materialien, an denen man aktuell mit seinen Lieferanten arbeitet. „Dann haben Lidl-Kunden weiterhin die Möglichkeit, Einwegprodukte für bestimmte Zwecke zu kaufen, ohne dafür auf Plastik zurückgreifen zu müssen“, so der Discounter.

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Rewe hat schon im Oktober 2019 diese Mehrweg-Frissche-Netze eingeführt.

Auch die Rewe-Gruppe (unter anderem Rewe, Penny und Toom-Baumarkt) hat bereits im letzten Jahr kommuniziert, Einweg-Plastikhalme, sowie bis Ende 2020 sämtliches Plastik-Einweggeschirr aus dem Sortiment zu streichen. Noch werden jährlich insgesamt 146 Millionen Stück Einweg-Teller, -Becher, -Schalen und -Bestecke aus Plastik bei Rewe, Penny und Toom-Baumarkt verkauft. Als mögliche alternative Materialien nennt Rewe zum Beispiel Graspapier oder Holz. „Problematisch wird es bei Salat mit entsprechender Soße“, erkennt die Pressesprecherin der Rewe-Group, Kristina Schütz, an. Sie ergänzt: „Um ein Durchnässen zu verhindern, müssten Papierverpackungen beschichtet werden. Eine solche Verpackungslösung hätte dann aber keine ökologischen Vorteile gegenüber einer komplett recycelbaren Plastikschale.“ Der Handel sieht sich also vor vielen neuen Problemen. Um hier noch optimalere Lösungen zu finden, forschen und suchen alle ständig weiter. So auch bei Edeka und seinem Tochterunternehmen Netto-Marken-Discount. Hier erklärt man: „Wir wollen den Verpackungsverbrauch möglichst vermeiden oder reduzieren.“ Wo das nicht möglich ist, gilt das Prinzip „Mehrweg statt Einweg“. Darüber hinaus forciert man auch hier die Verwendung von Recyclingmaterialien. Die Ankündigung lautet: „Bis Ende 2019 werden wir in unseren Edeka-Märkten keine Einweg-Plastikartikel mehr unter unseren Eigenmarken anbieten“. Somit wird man – bereits deutlich vor dem EU-Einwegplastik-Verbot (2021) – nur noch umweltfreundliche Alternativen anbieten. Die Eigenmarken-Wattestäbchen wurden bereits angepasst auf eine FSC-zertifizierte Papierschaft. Die „Großen“ sind also bereits alle auf Kurs, das ist doch für alle ein Grund zum Feiern. Aber Vorsicht: Auch Feiern ist ein oft ein Massen-Vergnügen, das noch immer ganze Berge aus achtlos weggeschmissenem Einweggeschirr beschert. Vor allem dann, wenn viele Menschen zur gleichen Zeit am gleichen Ort der Feierlust frönen.
Ein Fest für die Umwelt

Im westfälischen Herdecke geht man bei Feiern neue Wege. Laut einem Bericht des WDR vom 18. März 2019 will man künftig bei Veranstaltungen wie Stadtfesten statt Plastikgeschirr kompostierbares Einweggeschirr (PLA) anbieten. Kleiner Schwachpunkt: PLA und Plastik sind auf den ersten Blick sehr ähnlich und werden in der Feierlaune nur schwer als umweltfreundliche Alternative erkannt, die in den Biomüll gehört. Dennoch bleibt zu hoffen, dass bereits in diesem Jahr möglichst viel Veranstalter diesem Beispiel folgen.

Den Organisatoren des größten Volksfestes der Welt, dem Münchner Oktoberfest, wurde bereits 1997 vom Bundeswirtschaftsministerium der Landeshauptstadt München der Bundesprojektpreis „Umweltrichtlinien für Großveranstaltungen“, der „Umwelt-Oscar verliehen“. Begründung: In Zusammenarbeit mit städtischen Referaten wurde eine Strategie entwickelt, um den Besuch auf der Wiesn ökologisch verträglich zu gestalten. Die Reduzierung des Abfalls aufgrund von Einweggeschirr ist hier ein Muss. Bei der Vergabe eines Standplatzes werden zudem „Öko-Punkten“ vergeben, für jeden Bewerber, der ein möglichst umweltfreundliches Konzept präsentiert. Der Begriff „grüne Wiesn.“ Bekommt so eine völlig neue Bedeutung.
Genuss ohne Verpackung?

Geschirr aus Zuckerrohr-Restfasern (Bagasse) ist nachhaltig, vielseitig verwendbar und kompostierbar.

Doch vielen ist das noch nicht ausreichend. Beim NABU bewertet man Einweg-Geschirr, auch aus ökologischem Material, grundsätzlich äußerst kritisch. Verena Bax, Referentin für Umweltpolitik beim NABU betont: „Wir legen Wert darauf, dass wir keine Materialdiskussion, sondern eine Nutzungsdiskussion führen.“ Gemeint ist, dass man Plastik nicht einfach nur verbieten will, um diese dann um jeden Preis durch andere Materialien zu ersetzen. Vielmehr möchte man von einer Einweg- und Wegwerfkultur zu Mehrweglösungen und einer umfassenden Ressourcenschonung kommen. Dies gilt laut NABU als die große Herausforderung im Kontext der EU-Richtlinie zum Verbot einzelner Plastik-Einwegprodukte. In dem Zusammenhang gewinnt eine Bewegung immer mehr an Bedeutung: die „Unverpackt-Läden“, die nur Waren ohne Verpackung anbieten und immer häufiger auch außerhalb der Metropolen und Ballungsgebiete zu finden sind. Die beste Lösung ist jedoch noch immer „Null-Müll“. Nach dieser Maxime handelt die „Zero-Waste-Bewegung“, die versucht Abfall komplett zu vermeiden. Bei der „Zero-Waste-Bloggerin“ Shia passt der Müll eines ganzen Jahres angeblich sogar in ein einziges Einmachglas. Wer nicht ganz so extrem leben möchte und zum Beispiel seine Mittagspause tatsächlich genießen will, der sollte seinen Salat oder die Chinapfannen nicht erst durch die Gegend tragen, bis alles welk oder kalt ist, sondern sein frisches Gericht einfach in Ruhe direkt in einer preisgünstigen Gaststätte um die Ecke verzehren. Hier wird man am Tisch bedient, man zahlt oft sogar weniger und man vermeidet Abfall. So genießt man natürlich entspannter.

Robert Schütz, freier Journalist