
Neue Wellnessoasen im Schweizer Berghotel
Baden, das war gestern. Nicht nur daheim wird in Zukunft das Wellnesserlebnis regieren. Auch in Hotels werden Spa Bereiche immer luxuriöser. Doch wie viel Technik tut unserer Erholung noch gut? Im Rahmen der Vortragsreihe «Spa & Architektur» im stilhaus in Rothrist (Schweiz) ging man diesen Fragen genauer auf den Grund. – Text: Robert Schütz. Publiziert im „Schweizer Baujournal“
«Ich kann mich noch gut an die Geschichten erinnern, dass in der Kindheit meiner Eltern beziehungsweise Grosseltern eine Wanne reichte, in der die gesamte Familie am Samstag ihr Bad nahm», gestand Sacha Willemse schmunzelnd. Er war einer der Referenten, an dem Vortragsabend
«Architektur & Spa» im Rahmen der Bautage im stilhaus in Rothrist und dozierte über die zukünftige Wellnesskultur und ihre Auswirkungen auf die moderne Architektur. Dabei ging es ihm nicht einzig um die neue Raumordnung und künstlerische Gestaltung eines modernen Badezimmers, pardon, Wellnessbereiches. Der Zukunftsexperte Sacha Willemensen, der bereits seine Masterarbeit über die Zukunft der Innenarchitektur verfasste, stellt sich grundsätzlich immer wieder gerne der Frage: «Wie werden wir in Zukunft leben und wie werden wir uns einrichten»?
Die Bautage im stilhaus Rothrist
Hier im stilhaus, wo sich an diesem Freitagabend zahlreiche Architekten, Innenarchitekten und Einrichtungsliebhaber im hauseigenen Forum eingefunden hatten, ging es vor allem um den Zusammenhang zwische Spa und Architektur, in Verbindung mit den neusten Techniken in den nächsten Jahrzehnten. Willemsen hatte mit seinem Titel «Die Zukunft der Nasszone » den Punkt somit exakt getroffen. In welche stimmungsvolle Wohnerlebnisse die Menschen vielleicht schon bald eintauchen
werden, das machte er zunächst abhängig von den veränderten Lebensstile oder wie er es nennt, den Megatrends. Insgesamt 20 Punkte führt Willemsen auf, von der demografischen Entwicklung bis hin zum Wandel in der Arbeitswelt. Das alles wird seiner Ansicht nach mehr oder weniger mit Einfluss auf zukünftige Lebensformen nehmen. Dabei greift er einen Punkt besonders heraus: Die Konvergenz von Technologien. Der diplomierte Betriebsökonom FH sowie Master of Arts in Design nennt diesen Unterpunkt «Technology meets Interior» und prognostiziert damit, dass die Interaktion «Mensch und Maschine» in Zukunft auch bei der Innenraumgestaltung eine noch grössere Rolle spielen dürfte. Doch stellt sich die Frage:

Ist Wellnessautomatisation ein Vergnügen?
Vor allem durch die Schnittstelle Internet – der Schnittstelle der Zukunft – wie Willemsen es nennt, entsteht nach seiner Ansicht ein völlig neues Innovationspotenzial an Produkten und Dienstleistungen. Der Markenexperte, der zudem in den Bereichen Unternehmensstrategie, Branding sowie Marketing und Kommunikation erfolgreich ist, erläutert seine Vorhersagen gleich an einer konkreten möglichen Anwendung: Denkbar wäre das moderne Bad, dass beim Betreten, durch integrierte
Sensoren in den Fliesen, und mit Hilfe intelligenter Algorithmen und gut gefütterten Datenbanken, sofort erkennt und berechnet, welche Bedürfnisse bestehen und welche Temperatur der Raum und das Wasser erreichen müssen, damit das entsprechende Individuum ein Maximum an Wohlgefühl erfährt. Und sollte sich am Ende der Erholungskur der persönliche Badezusatz dem Ende zu neigen, so trifft die Online-Schnittstelle exakt die richtige Kaufentscheidung zum Zeitpunkt des Meldebestandes. Soweit die bereits heute technisch mögliche Zukunft im Bad. Wie romantisch klingt das denn? Ob wir uns wirklich alle in Zukunft eine solche Nasszone wünschen, bleibt jedem selbst überlassen. Doch sicher ist: Raumzonen lösen schon jetzt klassische Raumstrukturen auf. Das abgeschlossene Badezimmer, als reiner Funktionsraum, verliert an Bedeutung. «Das Schlafzimmer verschmilzt mit der Badezone zu einer einzigen Intimzone der Wohnung», wie Willemsen es beschreibt. Das ist bereits Realität. Moderne Entwürfen zeigen, wie selbstverständlich die Badewanne ins Schlafzimmer integiert wird. Ein Trend, den sich die angesagten Luxus- und Boutique-Hotels längst zu nutzen gemacht haben.
Bau der Tschuggen Bergoase
«Einige erwarten heute bereits ihre private Sauna im Zimmer», erklärte die folgende Referentin Corinne Denzler, die ihre Vortrag übrigens mit den Worten überschreibt: «Der Maestro und die Donna difficile». Frau Denzler ist eine sehr erfahrene Hotelmanagerin, die bereits viele Projekte zum Erfolg führte. Heute ist sie Group Director der Tschuggen Hotel Group, die mit erstklassigen Häusern in Arosa, St. Moritz und Ascona vertreten ist. Corinne Denzler berichtet an diesem Abend über ihre Zusammenarbeit mitdem Stararchitekten Mario Botta beim Bau der Bergoase im Tschuggen Grand Hotel in Arosa. Dabei wurde wieder einmal klar, welche Diskrepanzen zwischen Kreativität und geschäftlichem Pragmatismus herrschen. Die oft ausgefallenen Einfälle des Ästheten Botta und die kaufmännisch rationalen Gedanken der eher marketingorientierten und erfolgreichen Hotelmanagerin Denzler, waren sicher nicht immer denkungsgleich. Dabei verfolgen beide nur ein Ziel: den Erfolg. Doch wo immer eine Herausforderung lauert, da bestehen neue Chancen.
«Wir haben uns vorgestellt zu bauen, ohne zu überbauen»
Längst ist der imposante Erweiterungsbau zu einer Art Wahrzeichen der Region mutiert. Vor allem die aufragenden Lichttürme, die irgendwie an übergrosse dreidimensionale Segel aus Glas erinnern, bilden bei einbrechender Dunkelheit einen besonders strahlenden Kontrast zur
umliegenden Natur mit ihren hohen Bäumen. Gleichzeitig aber scheinen diese wie Fremdkörper anmutenden hohen Glaskonstruktionen, zusammen mit den hochgewachsenen Tannen, fast wieder eine zusammengehörend Formation zu bilden. Botta selbst sagt über seinen Entwurf: «Dieser besondere Kontext hat uns zu einer faszinierenden Antwort von starkem
Ausdruck und grossem Respekt gegenüber dem umliegenden Dorf verholfen». Weiter erklärt er seinen aufmerksamkeitsstarken Entwurf mi den Worten: «Diese geometrisch- vegetalen Körper wecken die Neugier der Besucher, «transportieren» Licht – tagsüber in die unterirdischen Räumlichkeiten und während der Nacht leuchten diese Zeichen eines kollektiven Erholungsraumes in das Dorf hinaus».
Die Wohlfühloase,
versteckt im Schoss des Berges
Die eigentlichen Funktionsräume liegen übrigens verborgen und unsichtbar im Berg versteckt. Insgesamt hat der international
bekannte Italiener Botta auf mehreren Etagen auf rund 5000 m2 ein Reich
der Sinne geschaffen, eine Stätte des Wohlbefindens und der inneren Ruhe, wie das Luxusspa heute auf der hoteleigenen Internetseite angepriesen wird. Und in der Tat scheint hier eine völlig neue Ära von Wellness begonnen zu haben. Die Planung der gesamten Tschuggen Bergoase dauerte übrigens über ein Jahr und die eigentliche Bauzeit erstreckte sich
über mehr als drei Sommer. Am Ende wurden in dieses wegweisende Projekt etwa 35 Mio. Franken investiert. Längst gilt die Tschuggen Bergoase als die Attraktion in der weiteren Umgebung und gehört sicher zu den schönsten und anspruchsvollsten Spar der Luxusklasse. Übrigens: Auch Nicht-Hotelgäste können auf Anfrage die Vorzüge dieser Entspannungswelt geniessen und ebenfalls auf ganz besondere Weise dem Alltag entfliehen. Viele der Besucher nehmen dabei sicher viele wichtige Anregungen mit nach Hause und lassen sich gerne inspirieren, um die Atmosphäre im eigenen Heim weiter zu verbessern, wenn auch vermutlich in kleineren Dimensionen. Doch was ist eigentlich Atmosphäre?
«Der Versuch eine Wolke
mit Händen zu greifen»
Mit diesem Zitat von Louisa Hutton, der renommierten Architektin (Sauerbruch Hutton, Berlin) versucht die darauf folgende Referentin Ushi Tamborriello den abstrakte Ausdruck «Atmosphäre» zu beschreiben. «Der «unscharfe» Begriff der Atmosphäre lässt sich nicht messen – auf jeden
Fall nicht in Kubikmetern und Geldnoten. Allenfalls am Erfolg», fügt die Innenarchitektin hinzu und ergänzt: «Die Existenz von Atmosphären als alltägliches Phänomen ist jedem Menschen direkt nachvollziehbar;
sie ist Teil einer räumlichen Funktion». Für Tamborriello ist die Stimmigkeit des gesamten Raumes entscheidend. Der Raum ist für sie eine Komposition in der jeder Ton zum Klangbild beiträgt, Töne die sich aufeinander beziehen; ein Zusammenspiel, das in einem Ort, in dieser Zeit, in dieser Funktion für den Menschen und diese Kultur nur so gedacht werden kann. Die wichtigen Parameter sind Proportion, Form, Materialien, Klang, Haptik, Farbe und Licht. Und die Mittel an Kapazitäten, Kompetenzen, Kapital, die
wir zur Verfügung haben. Für Ushi Tamborriello spielt immer der «genius loci» – «der Geist des Ortes», die baulichen und historischen Vorgaben und Merkmale eines Ortes, eine wichtige Rolle. Vor allem aber werden nach Tamborriellos Auffassung Bauwerke immer geschaffen von Menschen für Menschen. Dies ist ein wichtiger Grundsatz der vielseitigen Künstlerin, die nach ihrem Studium der Innenarchitektur an der Hochschule für Film
in München Szenenbild studierte und sich beruflich zunächst dem filmischen Raum widmete. Im Jahre 2004 gründete sie in der Schweiz das Atelier «ushitamborriello», das sich seitdem nicht nur durch die Gestaltung interessanter Bäder und Spas einen Namen gemacht hat. Immer wieder überzeugt die kreative Truppe ihre internationale und anspruchsvolle Klientel zudem mit der Gestaltung von Flugzeugen, Restaurants und ganzen Hotels. Dabei legt man stets grossen Wert auf die Realisierbarkeit der faszinierenden Ideen. Ushi Tamborriello sieht sich als Teil einer vielseitigen und professionellen Mannschaft, mit besonderen Fähigkeiten, Talenten und langer Erfahrung, die gemeinsam ein Projekt erfolgreich umsetzt. In ihrem Vortrag anlässlich der Bautage betont sie: «Ohne Handwerker sind wir nichts». Schnell sichtbar wird dies beim Besuch des Thermalbads auf dem ehemaligen Brauereigelände Hürlimann in Zürich. Hier stellt sich die Innenarchitektin Tamborriello – im kongenialen Team mit dem Architekturbüro Althammer Hochuli Architekten – ganz klar den Gegebenheiten, bezieht die Vergangenheit bewusst mit ein und schafft so das Unvergängliche für die Zukunft. Hier ist er lebendig, der «genius loci», der «Geist des Raumes». Die ovalen Holzwannenbäder in den imposanten unterirdischen Gewölben sowie das römisch- irische Spa-Bad in den ehemaligen Malztennengewölben mit ihren freiliegenden Gemäuern zeigen schön, wie sehr neue Ideen und alte Handwerkskunst hier Hand in Hand arbeiteten. Geradezu spektakulär und modern ist hingegen der Pool auf dem Dach, von wo aus Spa-Besuche einen einmaligen Blick über Zürich geniessen. Weitere Arbeiten von Ush Tamborriello, die sie teilweise ebenfalls in ihrem Vortrag erläutert, sind unter anderem das Seerose Resort & Spa in Meisterschwanden, das Bernaqua Erlebnisbad & Spa in Bern sowie der Migros Fitnesspark «Puls 5» in Zürich. Doch ist auch das nur ein kleiner Auszug ihrer vielseitigen Arbeiten. Für die Zukunft wünscht sich Ushi Tamborriello, dass in unserer virtuell geprägten Zeit die sinnliche Präsenz eines Raumes, der eine kraftvolle Identität besitzt, wieder eine höhere Wertschätzung erfährt.